David Herbert, Alexander Yendell
Universität Leipzig, Research Centre Global Dynamics
Research Centre Global Dynamics
Ersteinsendung des Projekts
Offen
/
Drittmittelförderung
Ja
Mittelgeber
Bundesministerium
Übergreifend: Radikalisierung – Extremismus und/oder Terrorismus
Rechts
Quantitatives Forschungsdesign
(primär) Person
Fragebogen
- Deskriptivanalyse
- Bivariate Verfahren
- Multivariate Verfahren
Arbeitshypothese(n)
Die Studie untersucht, welche psychologischen und sozialen Faktoren rechtsextreme und demokratiefeindliche Einstellungen begünstigen. Sie basiert auf einer Online-Befragung von 1.009 Personen im Vereinigten Königreich (Bilendi 2023, quotenbasiert nach Alter, Geschlecht und Bildung). Der Schwerpunkt liegt auf der Verbindung von Ideologie, Persönlichkeit und Sozialisationserfahrungen im Kontext politischer Radikalisierung.
Zentrale Forschungsfragen
Wie hängen autoritäre Persönlichkeitsmerkmale und rigide Männlichkeitsnormen mit der Befürwortung von Gewalt, Krieg und autoritären politischen Systemen zusammen?
In welchem Zusammenhang stehen antidemokratische Einstellungen, Verschwörungsmentalität und soziale Dominanzorientierung mit rechtsextremen Haltungen und Radikalisierungstendenzen?
Welche Bedeutung haben Kindheitserfahrungen – insbesondere Gewalt, Misshandlung oder emotionale Vernachlässigung – für die Ausbildung autoritärer und gewaltlegitimierender Überzeugungen?
Wie wirken dunkle Persönlichkeitszüge (Narzissmus, Machiavellismus, Psychopathie, Sadismus) auf politische und gesellschaftliche Einstellungen ein, insbesondere im Hinblick auf Gewaltbefürwortung und Abwertung sozialer Gruppen?
Wie greifen psychologische Dispositionen, ideologische Überzeugungen und soziale Kontexte ineinander, wenn es um die Entstehung rechtsextremer und demokratiefeindlicher Denkmuster geht?
Die Studie kombiniert sozialpsychologische und politikwissenschaftliche Perspektiven, um die Verzahnung von Ideologie, Persönlichkeit und Sozialisation bei der Herausbildung extremistischer Einstellungen empirisch zu analysieren.
Erhebungsmethode: Online-Access-Panel (Bilendi 2023)
Sprache: Englisch
Leitung: Dr. Alexander Yendell (Universität Leipzig) und Prof. David Herbert (Universität Bergen)
Forschungsbefunde
Die Analyse zeigt, dass autoritäre und psychologische Dispositionen eng mit rechtsextremen und gewaltlegitimierenden Einstellungen verknüpft sind. Besonders auffällig ist der Zusammenhang zwischen rigiden Männlichkeitsnormen und der Befürwortung von Krieg und militärischer Gewalt: Personen, die überzeugt sind, Männer müssten ihre Familie mit Gewalt schützen oder Ehre verteidigen, zeigen die höchste Zustimmung zu kriegerischen Handlungen.
Darüber hinaus erweisen sich sadistische Persönlichkeitszüge – also die Neigung, Freude an der Erniedrigung oder dem Leiden anderer zu empfinden – als signifikanter Prädiktor für Gewaltbefürwortung. Auch autoritäre Unterwerfung und soziale Dominanzorientierung verstärken rechtsextreme und antidemokratische Tendenzen.
Kindheitserfahrungen spielen eine indirekte, aber wichtige Rolle: Wer in seiner frühen Sozialisation Gewalt, Misshandlung oder emotionale Vernachlässigung erlebt hat, neigt später häufiger zu Mustern von Härte, Aggression und Unterordnung. Diese psychischen Prägungen schaffen den Boden für autoritäre Weltbilder und die Akzeptanz von Gewalt als legitimes Mittel.
Praktische Umsetzung
Die Befunde zeigen deutlich, dass rechtsextreme und gewaltlegitimierende Einstellungen nicht allein politisch oder ideologisch entstehen, sondern tief in geschlechterbezogenen Sozialisationserfahrungen, psychischen Prägungen und Persönlichkeitsmustern verankert sind. Daraus ergeben sich mehrere praxisrelevante Konsequenzen: 1. Männlichkeitsnormen systematisch in Präventionsarbeit einbeziehen. Präventionsprogramme sollten stärker auf die Rolle rigider und gewaltbezogener Männlichkeitsbilder achten. Die Auseinandersetzung mit Rollenbildern, emotionaler Ausdrucksfähigkeit und Beziehungskompetenz ist ein zentraler Baustein gegen Radikalisierung. 2. Psychotherapeutische Angebote ausbauen und zugänglich machen. Die Daten legen nahe, dass frühe Gewalt- und Missbrauchserfahrungen langfristig Muster von Härte, Misstrauen und Aggression prägen. Prävention braucht daher niedrigschwellige, traumasensible Angebote – insbesondere für Jungen und junge Männer. 3. Sozialarbeit und Bildungsarbeit stärken. Professionelle in Jugendhilfe, Schule, Sozialarbeit und Beratung sollten sensibilisiert werden für die Verbindung zwischen Kindheitserfahrungen, autoritären Haltungen und Gewaltlegitimierung. Geschlechterreflektierende Ansätze sind hier zentral. 4. Interdisziplinäre Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden. Auch auf Ebene der Sicherheitsbehörden – etwa im Umgang mit potenziellen Gewaltakteuren, nationalistischer Mobilisierung oder kriegstreibender Propaganda – sind psychologische Faktoren relevant. Die Analyse autoritärer und hypermaskuliner Muster kann helfen, Radikalisierungsprozesse auf „höchster Ebene“ besser zu verstehen. 5. Politische Bildung vertiefen. Neben der Vermittlung demokratischer Werte sollten Programme die psychologischen Grundlagen von Autoritarismus, Hass und Gewalt thematisieren – insbesondere die Verknüpfung von Männlichkeit, Sexualität und politischer Gewalt. 6. Forschung und Monitoring ausbauen. Die Ergebnisse sprechen für ein kontinuierliches Monitoring psychologischer und sozialer Risikofaktoren, kombiniert mit qualitativen Studien zu Gewalterfahrungen, Sozialisation und Männlichkeitsnormen. Insgesamt zeigen die Befunde, dass effektive Prävention nur gelingt, wenn politische, psychologische und soziale Faktoren gemeinsam gedacht werden.
Zitation des Projekts
Yendell, A., & Herbert, D. (2025). Authoritarianism and the psychology of war: Exploring personality traits in the legitimation of military conflict. Politics and Governance, 13, Article 10292. https://doi.org/10.17645/pag.10292
Quellenangabe projektbezogener Publikation
Weblink