MOTRA-FoMo – Forschungsdatenbank

FoMo-Methodik

Das jährlich durchgeführte Monitoring der Radikalisierungsforschung (MOTRA-FoMo; Forschungsmonitor) zielt darauf ab, einen Überblick über die komplexer werdende Landschaft auf diesem dynamischen Forschungsfeld zu gewinnen und zu wahren. Dies ist Grundlage für einen verantwortlichen, sich auf Augenhöhe aktueller Entwicklungen bewegenden Wissenstransfers, wie er seitens des MOTRA-Verbundes verfolgt wird. Das Forschungsmonitoring soll dabei unterstützen, dass die Gestaltung von (Sicherheits-)Politik und repressiven sowie präventiven Praxiszugängen nicht hinter den phänomenbezogenen aktuellen Erkenntnisstand zurückfallt.

Um dieser Zielstellung entsprechen zu können, ist es erforderlich, möglichst umfassend die empirisch basierten Forschungsprojekte zum erweiterten Themenfeld ‚Radikalisierung‘ systematisch hinsichtlich ihrer…

  • methodischen Zugänge
  • Datengrundlage
  • zentralen Befunde sowie
  • Implikationen für mögliche handlungspraktische Ableitungen

zu erfassen und zu einem synthetisierenden Forschungsprofil zu verdichten.

Um diesen Fragen und Ansätzen nachgehen zu können, wurde im Rahmen von MOTRA ein Erhebungs- und Auswerteinstrument entwickelt, das im Umfeld der akademischen, zivilgesellschaftlichen und behördlichen Forschungseinrichtungen – zunächst nur in Deutschland mit dem mittelfristigen Ziel der Internationalisierung – disseminiert wurde.

FoMo soll dabei allen Forschenden und sich um die Bearbeitung bzw. Strukturierung und Förderung des Forschungsfeldes bemühenden Expert*innen Orientierung bieten, in welchen Bereichen die hier gegenständlichen Phänomene Radi- kalisierung, Extremismus und Terrorismus mehr oder weniger gut aus- geleuchtet sind bzw. wo sich aufgrund neuer Entwicklungen Forschungs- desiderate ausmachen lassen.

Was das beabsichtigte Monitoring der Radikalisierungsforschung von den zahlreichen Übersichtsarbeiten und Sichtungen der Forschungsstände abhebt, ist im Begriff des ‚Monitoring‘ angelegt: Der Versuch einer fortlaufenden Sichtung der Forschungslandschaft gemäß einer nachvollziehbaren (und in den jeweiligen Jahresberichten, sowie an dieser Stelle) und transparenten Systematik. So werden Veränderungen im Forschungsgeschehen unmittelbar ersichtlich.

Es ist beabsichtigt, die aktuelle bzw. jüngere (longitudinal; jeweils 5-Jahres-Zeitraum) Forschung zum Radikalisierungsgeschehen zu erfassen, indem nur empirisch, auf quantitativen und/oder qualitativen Daten basierende Forschungsarbeiten (aktuell noch ausschließlich mit Deutschlandbezug) berücksichtigt werden (inkl. Sekundäranalysen).  

Dadurch ergibt sich im Laufe der Folgejahre ein sich stetig fortschreibendes Abbild der Forschungslandschaft mit einem erweiterten „Aktualitätsbezug“ des jeweils zurückliegenden Fünf-Jahres-Zeitraums. (2015-2021 [Initialbericht] / 2017-2021 / 2018-2022 / 2019-2023).

Bereits nach dem ersten Bericht (MONITOR 2020) wurde das FoMo-Netzwerk akquiriert und etabliert. Es wurden deutschlandweit ausgesuchte und einschlägig Forschende Personen und Institutionen gesichtet und für den FoMo-Netzwerkprozess angesprochen und gewonnen, für folgende Aufgabenspektren:

Das Netzwerk dient der Qualitätssicherung des FoMo in dreifacher Weise.

  1. Breite Beobachtung der Forschungslandschaft und regionale Besonderheiten

Zum Ersten erlaubt das Netzwerk eine bessere, weiter angelegte Beobachtung des Forschungsgeschehens in Deutschland aus der Perspektive eines thematisch-phänomenologisch und wissenschafts- disziplinär breiter aufgestellten Expert*innenkreises, als es FoMo alleine zu leisten vermag. Die Repräsentanz des Netzwerkes in nahezu allen Bundesländern erlaubt dadruch eine bessere Erfassung von regional begrenzteren Forschungsaktivitäten, die über Landesministerien oder Kommunen aufgelegt wurden: Ist die Bekanntheit und damit Rezeptionsfähigkeit innovativer Studien auf regionaler Ebene limitiert, bietet FoMo dann die Chance, diese Studien einem breiteren Rezeptionskreis zugänglich zu machen.

  1. Peer-Review und Delphi

Zum Zweiten kontrolliert das Netzwerk einem Peer-Review-Ansatz folgend unsere Berichterstattung zum FoMo, indem vor allem die erfolgten Zuordnungen von Studien entsprechend den zentralen Beschreibungskriterien (siehe unten) beziehungsweise Kartografierungsmerkmalen der Forschungslandschaft unter Berücksichtigung des zu Grunde gelegten methodisch-theoretischen Ansatzes kritisch gesichtet werden.

So sind die Berichte stets Resultat eines Peer-Review-Prozesses und des darin integrierten Quasi-Delphi-Verfahrens:

Der Berichtsentwurf wird den Expert*innen jährlich mit der Bitte um kritische Kommentierung unter Berücksichtigung der methodisch-theoretischen Grundlegung (siehe unten) vorgelegt. Die eingegangenen Kommentierungen werden in den Bericht eingearbeitet, die Synopse der Kommentierungen sodann dem FoMo-Netzwerk zugeleitet, um im abschließenden Schritt die zentralen Befunde im unmittelbaren Austausch zwischen allen Beteiligten im Rahmen zweier Videoschaltkonferenzen zu diskutieren. Insofern kann der Bericht als konsentierte Kartografie der aktuellen Radikalisierungsforschung in Deutschland entsprechend den ausgewiesenen Einschränkungen verstanden werden – etwaige Mindermeinungen fanden und finden sich an entsprechender Stelle ausgewiesen.

  1. Neutralität und Netzwerk

Das dritte qualitätssichernde Element des FoMo-Netzwerkes besteht darin, dass es in Ergänzung zum MOTRA-Beirat über den bereits angesprochenen verfolgten Anspruch wissenschaftlicher Neutralität wacht. Auch versteht sich das Netzwerk, bei allen formulierten wissenschaftlichen Aufgaben und Ansprüchen, eben auch als Netzwerk: Kontakte in den MOTRA-Verbund selbst, die Forschungsstelle Terrorismus/Extremismus und das BKA gehören für uns zum Selbstverständnis eine kollegialen Wissenschaftsorgans und sind stetiger Serviceauftrag.

Gehen wir auf die beiden primären empirische Grundlage des FoMo ein:

(1) Zum einen werden die in die FoMo-Datenbank eingepflegten Forschungsprojekte berücksichtigt. Jährlich wird ein Export der Datenbank erzeugt, der die erfassten Studien unter den entsprechenden Variablen ausgibt und über eine Häufigkeitsbeschreibung (grafisch) aufbereitet.  Der export wird unter den Variablen Autorenschaft, Forschungseinrichtung, Zentraler Phänomenbezug, Phänomenbereich, Methodische Ausrichtung, Inhaltlicher/thematischer/empirischer Zentralfokus dargestellt und entsprechend im Bericht kontextualisiert.

(2) Ergänzend zu unserer eigenen Datenbank, aus der sich perspektivisch alle im finalen Bericht diskutierten Studien speisen sollen, werden folgende Datenbänke als additive Quellen in Eigenrecherche genutzt: SSOAR, PSYNDEX und GEPRIS werden jährlich jeweils mit der gleichen Systematik recherchiert, indem folgende Suchbegriffe abgefragt wurden: „Radikalisierung“, „Extremismus“, „Terrorismus“, „Islamismus“, „Salafismus“, „Jihadismus/Dschihadismus“, „religiöser Extremismus“, „Rechtsextremismus“ und „Linksextremismus“.

Der analytische Zugang, beziehungsweise die konkrete Erfassung der erschlossenen empirischen Arbeiten folgt, entsprechend unserem Anliegen eines systematischen Monitorings, einer dreigeteilten Fragestellung:

(1) Zu welchen Phänomenbereichen eines politisch/ religiös motivierenden Radikalisierungsgeschehens werden (2) welche (mutmaßlich erklärenden) Ursachenfaktoren unter Berücksichtigung (3) welcher vorrangig beschrittenen methodischen Zugänge in den Forschungsfokus gerückt?

Hiermit sind zugleich die drei zentralen analytischen Sichtungs- bzw. Zuordnungskategorien der in das Monitoring eingegangenen Forschungsarbeiten angesprochen.

  1. Phänomenbereich

Hier differenzieren wir zwischen Studien, die auf radikale Akteur*innen, Gruppen oder ein allgemeines Radikalisierungsgeschehen fokussieren, welche auf (1) politisch rechts, (2) links, (3) religiös begründete und/oder (4) politisch bzw. weltanschaulich ‚unspezifische‘ Ideologeme Bezug nehmen; konkret: Auf welches ideologisch motivierte Radikalisierungs- geschehen bezieht sich die Forschungsarbeit? Unter der vierten Kategorie werden auch Arbeiten subsumiert, die phänomenübergreifend und in der Regel mehr oder weniger systematisch vergleichend ein ideologisch unterschiedlich konnotiertes Radikalisierungsgeschehen in den Fokus rücken.

  1. Primärer Forschungsfokus: Person – Ideologie – Umfeld

Worauf ist der primäre empirisch-analytische Fokus ausgerichtet? Ausgehend vom Stand der Forschung kann – stark abstrahierend – von einer Ursachen-Trias von Radikalisierung gesprochen werden, der zufolge ein umfassendes Verständnis von sowohl individuellen als auch kollektiven Radikalisierungsprozessen nur unter Berücksichtigung der drei zentralen und übergeordneten Einflussgrößen der Person (wesentlich: biografische Verläufe, psychische Dispositionen, Einstellungsmuster, die Radikalisierungsverläufe begünstigen), der jeweils wirkmächtig werdenden Ideologie (die jeweiligen politischen und/oder religiösen Ideologeme/ Deutungsmuster, die als motivische Grundlage eines individuellen oder gruppenbezogenen/kollektiven Radikalisierungsgeschehens zu betrachten sind) sowie des jeweiligen gesellschaftlichen Umfeldes (in dem sich das Radikalisierungsgeschehen vollzieht, in der Spannbreite von mikro- bis zu makrosozialen Kontextbedingungen).

Diese grobe Unterteilung möglicher Einflussfaktoren basiert auf dem KoRa-Modell (Kontextstruktur Radikalisierung), das den theoretischen Bezugsrahmen des MOTRA-Ansatzes bildet. Sollten ausdrücklich und in etwa gleichgewichtet unterschiedliche Einflussfaktoren übergreifend betrachtet werden, ist dies in der Gesamtschau der Forschungslandschaft berücksichtigt, indem die jeweilige Studie der Kategorie ‚differente Faktoren‘ zugeordnet wurde.

  1. Methodenschwerpunkt

Die Studien werden in FoMo in ihrem Methodenschwerpunkt daraufhin gesichtet, ob primär (1) quantitativ oder (2) qualitativ ausgerichtete Methoden eingesetzt wurden. Sollten ausdrücklich quantitative und qualitative Methoden genutzt worden sein, sind die entsprechenden Studien als (3) „multimethodal“ klassifiziert.

Wir sind uns über die in unseren Ansätzen inhärenten Limitierungen bewusst und kommunizieren diese offensiv. FoMo versteht sich in seiner Anlage als explorativ-beschreibendes Werkzeug, das sich auf einem wenig ausgeleuchteten Feld tastend vorbewegt. Wir sind daher auf die Mitwirkung einer Wissenschaftsgemeinde angewiesen, die unseren Ansatz als Hilfs- und Orientierungsmittel versteht und den rein deskriptiv-kartografierenden Ansatz als Impuls nutzt. Trotz großer Sorgfalt kann es passieren, dass Studien „falsch“ zugeordnet werden, dass Interpretationen zu kurz greifen und getätigte Kontextualisierungen mitunter die Kernbotschaften einer Studie auf unserem Forschungsfeld vernachlässigen.

FoMo ist daher immer auch als Einladung zu verstehen. Nehmen sie gerne Kontakt zu uns auf: forschungsmonitor@bka.bund.de

Die vorliegende Systematik ist eine Synopse aus unseren bisherigen Berichten. Quellen:

Kemmesies, U.E. (2021a). Perspektiven auf Radikalisierung – Das Verbundprojekt MOTRA im Profil, in: Kemmesies et al. (Hrsg.). MOTRA-Monitor 2020, Wiesbaden, 26–99.

Kemmesies, U.E. (2021b). Monitoring der Radikalisierungsforschung – ein Entwurf und mögliche Perspektiven, in: Kemmesies et al. (Hrsg.): MOTRA-Monitor 2020, Wiesbaden, 262–327.

Kemmesies, U.E.; Heimerl, B. (2022). MOTRA-Forschungsmonitoring: Radikalisierungsforschung 2017-2021. In Kemmesies et al. (Hg.) (2022). MOTRA-Monitor 2021. Wiesbaden, 304-363.

Kemmesies, U.E.; Heimerl, B. (2023). MOTRA-Forschungsmonitoring: Radikalisierungsforschung 2018-2022. In Kemmesies et al. (Hg.) (2023). MOTRA-Monitor 2022. Wiesbaden, 277-313.

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