Amokfahrten in Deutschland Eine phänomenologische Annäherung und Untersuchung der Warnverhaltentypologie

Autor*innen
Organisation/Institut

Fachgebiet
Publikationsformat(e)
Projektstand

Projektbeginn
Projektende

Forschungseinrichtung(en)
Zentraler Phänomenbezug
Phänomenbereich

Nitsche, Katharina; Allwinn, Mirko; Hoffmann, Jens; Bongard, Stephan. Andreas;
I:P:Bm

Psychologie
Fachjournal
Abgeschlossen
1. Juni 2019
1. Juni 2020

Universitär, Außenuniversitär (Forschungsgemeinschaft)
Radikalisierung (allgemein)
Phänomenunspezifisch (kein ausdrücklich ausgewiesener Phänomen- bzw. ideologischer Bezug

Zentrale Fragestellung:

Die zugrunde liegende Studie beschäftigte sich erstmals mit der wissenschaftlichen Untersuchung von Amokfahrten in Deutschland zwischen 2000 und 2017 und schloss 22 von 46 ausgewerteten Strafakten in die nähere Betrachtung ein. Ziel der Studie war die explorative Analyse sogenannter Amokfahrten und möglicher Warnverhaltensweisen im Vorfeld der Tat.

Stichprobenbildung – Datenzugang:
Zunächst wurde eine umfangreiche Medienrecherche vorgenommen. In 73 der 88 dadurch identifizierten Fälle zwischen 2000 und 2017 ließ sich die zuständige Staatsanwaltschaft ermitteln. Es erfolgte die standardisierte Auswertung der 46 übersandten Strafakten auf Grundlage eines umfangreichen Kodierbogens (in Anlehnung an Göbel et al. 2016).

Gesamtstichprobengröße
Inhaltlicher / Thematischer / Empirischer Zentralfokus
Methodik
Erhebungsverfahren
Auswertungsverfahren

n = 22
Deskriptivanalyse, Fallanalyse

 

Zentrale Forschungsbefunde:

Die überwiegend männlichen Einzeltäter waren mittleren Alters, ledig und planten ihre Taten nur selten. Die Tatsituation entstand überwiegend zufällig und endete zumeist mit der Festnahme des Täters. Neben finanziellen und sozialen Schwierigkeiten der Täter fielen insbesondere die vorangehende ambulante und/oder stationäre Behandlung aufgrund einer psychischen Erkrankung auf. Dabei war die Hälfte aller Täter psychotisch. In nahezu allen Fällen zeigte sich gemäß der Warnverhaltentypologie mindestens eine auffällige Verhaltensweise im Vorfeld der Tat. Obwohl diese Auffälligkeiten für Personen oder Institutionen wahrnehmbar sind, wurde nur selten darauf reagiert.

Implikationen oder praktische Verwendbarkeiten:

Für die Prävention dürften insbesondere auffällige Verhaltensweisen im Vorfeld der Tat relevant sein. So wurde unmittelbar vor der Tat bei knapp 80 % der Täter ein auffälliges Verhalten von anderen Personenwahrgenommen wie z. B. ein auffälliger Fahrstil. Die Analyse der Warnveraltentypologie (Meloy et. al. 2012) ergab, dass im Durchschnitt 2,5 Warnverhaltensweisen bei den Tätern präsent waren. Nahezu alle Täter zeigten mindestens ein Warnverhalten, das im Vorfeld der Tat grundsätzlich hätte erkannt werden können. Auffällig ist, dass die Tatplanung, also das Warnverhalten Weg zur Gewalt, vergleichsweise selten vorhanden war und entsprechende Planungs-und Vorbereitungshandlungen erst kurz vor dem Angriff stattfanden. Dies steht erneut im deutlichen Kontrast zu anderen weniger spontanen und häufig längerfristig geplanten Amoktaten (Allwinn et al. 2019; Hoffmann et al. 2009). Bei fast 90 % der Täter war eine Fixierung auf einen Miss-stand oder eine bestimmte Person zuerkennen, die häufig zu einer wahrnehmbaren Emotionalität und negativen Auswirkungen auf das soziale Umfeld des Täters führte. Im Einklang mit der gehäuften Fixierung kann das Ergebnis des Energieschubs betrachtet werden. So zeigen Amokfahrer mitzunehmender Häufigkeit vielfältige Aktivitäten, die mit der Tat oder der Zielperson in Zusammenhang standen, wobei in zwei Dritteln der Fälle dieser Anstieg mehr als sechs Monate vor der Tat zu verzeichnen war. Im Unterschied zu jugendlichen Amoktätern an Schulen (Hoffmann et al. 2009)oder terroristischen Einzeltätern (Meloy & Gill 2016) identifizierte sich keiner der Amokfahrer mit anderen Gewalttätern oder -taten. Dass Dritte häufig Kenntnis über die Absicht des Täters hatten, zeigte sich auch in der hohen Anzahl der direkten Drohungen bei 60 % der Fälle. Zwar wurden nicht immer auch die bedrohten Personen zum Ziel der späteren Gewalttat, dies ist jedoch für die Gefahrenabwehr und die Bedeutsamkeit von Gewalt- und Todesdrohungen als Risikoindikatorunerheblich. Vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse sollte Drohungen, unabhängig gegen wen oder was sie sich richten, eine wichtige Relevanz beigemessen werden

Hinweise / Anregungen zu möglicher Anschlussforschung:

/

Zitation des Projekts

  • 7. Nitsche, K., Allwinn, M., Hoffmann, J., Bongard, S. (2020).
    Amokfahrten in Deutschland Eine phänomenologische Annäherung und Untersuchung der Warnverhaltentypologie. forum kriminalprävention, 2, 22-26.

Quellenangabe projektbezogener Publikation