Radikalislamische YouTube-Propaganda: Eine qualitative Rezeptionsstudie unter jungen Erwachsenen

Autor*innen
Organisation/Institut
Fachgebiet
Publikationsformat(e)
Projektstand

Projektbeginn
Projektende

Forschungseinrichtung(en)
Zentraler Phänomenbezug
Phänomenbereich

Lino Klevesath, Annemieke Munderloh, Joris Sprengeler, Florian Grahmann, Julia Reiter
FoDEx
Radikaler Islam
Monografie
Abgeschlossen
1. Mai 2018
10. Mai 2021

Universitär
Radikalisierung (allgemein)
Religiöse Ideologie

 
 
 
 
 
 

Zentrale Fragestellung:

Im Mittelpunkt unseres Forschungsinteresses steht die Frage, welche Wirkung radikalislamische Videoinhalte bei jungen Rezipient*innen hervorrufen. Inwiefern sind die Inhalte der vier Videoclips, aber auch die Präsentation dieser überzeugend? Welche individuellen Dispositionen können im Interviewverlauf identifiziert werden, die die in diesen Clips präsentierten Meinungen anschlussfähig(er) machen? Gelingt es den vier Produzenten der Videoclips, insbesondere im Sample der jungen Muslim*innen Zustimmung für ihre politischen Inhalte zu erlangen und wenn ja, welche Aspekte überzeugen konkret? Gleichzeitig nehmen wir auch die Rezeption durch junge Nicht-Muslim*innen in den Blick. Sind die Videos für sie ausschließlich befremdlich oder fühlen sie sich zumindest partiell auch von diesen angesprochen? Beziehen sie die islamischen Inhalte auf eigene religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen? Lässt sich feststellen, dass ihr Bild des Islam und von Muslim*innen durch den Konsum der Videos beeinflusst wird?

Stichprobenbildung – Datenzugang:
Ausgewertet wurden vier radikalislamische Internet-Videos und deren Rezeption durch je 10 junge Muslim:innen sowie 10 junge Nicht-Muslim:innen, denen im Rahmen von Einzel- oder Doppelinterviews die Videos vorgespielt wurden und zu ihrer Sicht auf die Videos befragt wurden.

Gesamtstichprobengröße
Inhaltlicher / Thematischer / Empirischer Zentralfokus
Methodik

Erhebungsverfahren
Auswertungsverfahren

20

Inhaltsanalyse

Zentrale Forschungsbefunde:

Die Untersuchung hat gezeigt, dass radikalislamische Inhalte partiell durchaus auch bei jungen Rezipient*innen anschlussfähig sind, die radikalislamischen Bewegungen wie dem Salafismus fernstehen. Der im politischen Diskurs häufig postulierte Gegensatz zwischen Islam und Islamismus spiegelt sich in der untersuchten Rezeption der Videos nicht wider. Radikalislamische Ideen existieren nicht in einem Vakuum. Die Vorstellung, dass den Normen des islamischen Rechts eine zentrale Rolle für die eigene Lebensgestaltung zukommt oder zumindest zukommen sollte, wie sie die salafistischen Akteure Krass und Abul Baraa propagieren, verbindet orthodoxe Muslim*innen innerhalb wie außerhalb der salafistischen Strömung. Dennoch teilen fast alle muslimischen Befragten weder die Vorstellung, dass sich Muslim*innen von der nicht-muslimischen Mehrheitsgesellschaft isolieren und diese verachten sollten, noch teilen sie die politische Vision eines wahrhaft muslimischen Staates. Auch autoritäre Tendenzen, also eine Vorliebe für rigide Strafen und autoritäre Herrschaftsformen, können dazu beitragen, dass junge Menschen radikalislamischen Internet-Inhalten aufgeschlossen gegenüberstehen, selbst wenn das eigene religiöse Wissen begrenzt ist und kein ausgeprägtes Interesse daran besteht, das eigene Leben nach religiösen Maßstäben zu gestalten. Selbst manche der befragten Nicht-Muslim*innen können von einzelnen in radikalislamischen Videos geäußerten Thesen überzeugt werden.

Implikationen oder praktische Verwendbarkeiten:

Unsere Ergebnisse legen nahe, dass ein nüchterner Umgang mit der Präsenz radikalislamischer Akteur*innen in der deutschen Gesellschaft wie mit ihren im Netz verbreiteten Inhalten angezeigt ist. Die Tatsache allein, dass derartige Angebote im Netz abgerufen werden, zeigt noch nicht, dass die Zuschauer*innen anti-demokratische Ideen hegen oder mit der Mehrheitsgesellschaft gebrochen haben. Gleichwohl gibt es auch dem Salafismus und anderen radikalislamischen Bewegungen fernstehende Muslim*innen, die mit einer demokratischen Ordnung hadern und sich von der Mehrheitsgesellschaft ausgegrenzt fühlen. Hier ist es an der Mehrheitsgesellschaft, die Zugehörigkeit von Muslim*innen zur Gesellschaft zu betonen und Ausgrenzung und Diskriminierung zu bekämpfen.

Hinweise / Anregungen zu möglicher Anschlussforschung:

Die Frage, warum eine Mehrheit orthodoxer Muslim*innen eine säkulare Staatsordnung pragmatisch befürwortet, während eine Minderheit dies nicht tut, bedarf jedoch weiterer Forschung.

Zitation des Projekts

  • Klevesath, Lino/Munderloh, Annemieke/Sprengeler, Joris/ Grahmann, Florian/Reiter, Julia: Radikalislamische YouTube-Propaganda. Eine qualitative Rezeptionsstudie unter jungen Erwachsenentaatsverständnisse in der islamischen Welt, Bielefeld 2021.

Quellenangabe projektbezogener Publikation

  • Klevesath, Lino/Munderloh, Annemieke/Sprengeler, Joris/ Grahmann, Florian/Reiter, Julia: Radikalislamische YouTube-Propaganda. Eine qualitative Rezeptionsstudie unter jungen Erwachsenentaatsverständnisse in der islamischen Welt, Bielefeld 2021.